Mystische Praxis in der UIKZ-Tradition

Die Union Islamischer Kulturzentren in Österreich (UIKZ) wurde in Übereinstimmung mit der sunnitischen Glaubensrichtung auf Grundlage der hanafitischen Rechtsschule gegründet. Entsprechend ihrer Ausrichtung fühlt sich die UIKZ jedoch allen vier sunnitischen Rechtsschulen – Hanafi, Maliki, Schafi’i und Hanbali – verbunden und steht je nach Bedarf und Anfrage auch Angehörigen der anderen Rechtsschulen beratend und unterstützend zur Seite. In Glaubensfragen (ʿAqīda) orientiert sich die UIKZ vorrangig an der maturiditischen Schule, erkennt jedoch auch die asharitische Richtung als einen der beiden maßgeblichen Wege innerhalb der sunnitischen Glaubenslehre an.

Die spirituelle Ausrichtung der UIKZ ist geprägt von der reichen und jahrhundertealten Tradition des Tasawwuf (Sufismus), wie sie im islamischen Kulturraum verwurzelt ist. Die islamische Mystik zielt auf die Läuterung des Herzens, die Suche nach Gottesnähe und den Aufbau einer tiefgreifenden inneren Beziehung zum Schöpfer. Diese Praxis versteht sich nicht als Abkehr von der äußeren Religionspraxis, sondern als deren spirituelle Vertiefung im Lichte der islamischen Überlieferung. Dabei legt die UIKZ Wert auf eine bewusste und verantwortungsvolle Integration dieser spirituellen Elemente in das individuelle wie gemeinschaftliche religiöse Leben.

Mit dieser Darstellung verfolgt die UIKZ nicht den Anspruch exklusiver Gültigkeit, sondern legt den Fokus auf den Bereich, dem sie sich schwerpunktmäßig widmet. Dabei steht sie im Austausch mit anderen Traditionen und Perspektiven innerhalb der islamischen Gemeinschaft. 

Innerhalb unserer Gemeinschaft finden sich folgende zentrale Formen spiritueller Praxis:

Stiller Dhikr (dhikr khafī)

Der stille Dhikr ist eine Form der inneren Versenkung, bei der der Mensch im Herzen Allahs gedenkt. Es ist ein stilles, kontinuierliches Erinnern an Gott – ohne Stimme, ohne Bewegung, allein in der Stille des Herzens.

„Wahrlich, im Gedenken an Allah finden die Herzen Ruhe.“ (Surah Rad, Vers 28)

Ichlās-Lesung (Hatm al-Ichlās)

Beim sogenannten Ichlās-Hatm wird die Sure 112 („al-Ichlās“) gemeinschaftlich rezitiert. Die Anzahl der Wiederholungen wird dabei gleichmäßig auf die Teilnehmenden verteilt. Diese Praxis stärkt die spirituelle Verbundenheit, die Achtsamkeit gegenüber Gottes Einzigkeit und die Gemeinschaft der Teilnehmenden.

Sohbet – Der spirituelle Gesprächskreis im Geiste des Sufismus

Sohbet bezeichnet im Sufismus nicht einfach nur ein Gespräch, sondern einen geistig geführten Austausch über Themen des Glaubens, der Seele und der Nähe zu Gott. In der Tradition der islamischen Mystik gilt der Sohbet als ein zentrales Mittel zur inneren Schulung. Ein erfahrener Lehrer oder ein Wissender spricht zu einer Gruppe von Schülern oder Suchenden, die mit offenem Herzen zuhören.

Süleyman Hilmi Tunahan (q.s., gest. 1959)

Süleyman Efendi kam 1888 in Ferhatlar (aktuell Delchevo/Bezirk Razgrad) im heutigen Bulgarien zur Welt. Nach Abschluss der Fakultät für Exegese und Hadiswissenschaften war er an den Fatih- und Süleymaniye Medresen als „Dersiâm“ (Universalprofessor, Gelehrte höchsten Grades des Hochschulwesens im Osmanischen Reich) tätig.

Mit der Vereinheitlichung des Bildungs- und Erziehungswesens (tevhidi tedrisat) in der neugegründeten türkischen Republik wurden im Jahre 1924 die Medresen abgeschafft. Dadurch verloren tausende Professoren ihr Amt als Hochschullehrer und durften sich lediglich als Prediger betätigen. Süleyman Efendi predigte als Staatsbediensteter in den sogenannten großen Sultansmoscheen in Istanbul.

Mit der Einführung des Mehrparteiensystems ab 1946 und der Lockerung der Restriktionen im Bildungswesen durch die neugewählte Regierung gründete Süleyman Efendi ohne jegliche staatliche Unterstützung eine Privatschule für religiöse Grundausbildung (Kur’an Kursu). In kurzer Zeit bildete er viele Imame aus, die von der damaligen Diyanet İşleri Başkanlığı als Imame, Muezzine, Prediger und Muftis übernommen und in unterschiedlichen Moscheen eingesetzt wurden.

Erst nach dem Tod von Süleyman Efendi wurden in den 60er Jahren seine Schüler von manchen Kreisen diskriminiert und mit „Süleymancı“ etikettiert.

Süleyman Efendi und seine Schüler sind Angehörige des sunnitischen Islam und der hanefitischen Rechtsschule. Mystisch orientieren sie sich an der Naqschibendiyye. Diese Ausrichtungen des Islam sind fern vom Extremismus und Fanatismus und verfolgen eine moderate Linie. Süleyman Efendi hat weder eine neue Religion, noch eine neue Glaubensrichtung innerhalb des Islam noch eine neue Rechtsschule, noch einen mystischen Orden gegründet.

Nach all diesen Ausführungen gilt es festzuhalten, dass die Bezeichnung Süleymancı bzw. Süleymancılık“ für Angehörige des Union Islamischer Kulturzentren in Österreich bzw. für Schüler von Süleyman Efendi unzutreffend ist.